Er macht Ernst
Will bis zum 25. März von „aller formellen Autorität komplett befreit sein“: Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama. Foto: getty
Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so still ist es im Saal, als Penpa Tsering das in rotgoldene Seide gewickelte Schreiben auspackt. Ehrfürchtig fasst er es mit den Fingerspitzen an. Aus dem Fenster sieht man die schneebedeckten Gipfel des Himalayas, der Himmel an diesem Frühlingsmontag ist strahlend blau. Doch Tsering ist schwer ums Herz. Am liebsten wäre es ihm, es gäbe dieses Schreiben nicht. Trotzdem trägt er die sieben Seiten Wort für Wort vor, das ist sein Job.
Der 44-Jährige in der grauen Robe ist Sprecher des tibetischen Exil-Parlaments im indischen Dharamsala. Mit ernsten, fast versteinerten Mienen hören die 43 Abgeordneten zu. „Dieser Brief wird Historie werden“, sagt Tsering – es klingt düster.
Das Schreiben stammt von Seiner Heiligkeit höchstselbst: Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama. Und es läutet das Ende einer Ära ein. Beinahe 400 Jahre haben die Gottkönige der Tibeter die weltliche und religiöse Macht auf sich vereint. Damit will der Dalai Lama nun brechen. Spirituelles Oberhaupt bleibt er auf Lebenszeit, ein Gott kann nicht abdanken. Aber nach 60 Jahren will er seine politische Macht an einen gewählten Regierungschef abgeben. Schon oft hat er davon geredet. „Aber nun meint er es ernst“, sagt Tsering. Gerade zehn Tage, bis zum 25. März, gibt er dem Parlament Zeit. Bis dahin wolle er von „aller formellen Autorität komplett befreit sein“, schreibt er.
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