Tuesday 22 March 2011

Korruptes Brüssel – Politiker ändern Gesetze für Geld


Undercover-Journalisten lassen EU-Abgeordnete auffliegen, die Gesetze gegen Bares ändern. EU-Politiker Strasser kostete das bereits sein Amt.
Wie korrupt ist Brüssel? Das Europäische Parlament hat nach Enthüllungen in britischen Medien gegen drei Abgeordnete Ermittlungen wegen Korruption eingeleitet. Anfang kommender Woche könnten noch weitere Fälle folgen. Bereits 2008 war ein deutscher Spitzenbeamter in der EU-Kommission wegen Fehlverhaltens unter Druck geraten – er musste frühzeitig in Pension gehen.
„Meine Kunden zahlen im Jahr 100.000 Euro. Ich habe jetzt fünf Kunden - morgen werden es hoffentlich sechs sein. Sie gehören dann aber noch nicht dazu, Sie wären der siebte““, säuselte der konservative österreichische EU-Abgeordnete Ernst Strasser (54). Seine Gesprächspartner hatten den ehemaligen Innenminister Österreichs gebeten, Gesetzesänderungen im Bankenbereich für einen Kunden durchzusetzen – gegen Bares.

Was Strasser nicht wusste: Die angeblichen Lobbyisten waren Undercover-Journalisten der britischen Zeitung „Sunday Times“. Sie hatten ihre Gespräche mit dem Abgeordneten gefilmt und Aufzeichnungen gesammelt. Demnach verlangte Strasser 25.000 Euro für einen erfolgreich eingebrachten Änderungsantrag im Parlament.
Für den Chef der österreichischen Konservativen (ÖVP) im EU-Parlament war die Sache offenbar ganz einfach: „Sie senden mir den Änderungsantrag und was Ihr Kunde ändern will“, sagte Strasser laut Mitschnitt, der auf Youtube zu sehen ist, zu seinen Gesprächspartnern.
„Ich bin immer sehr diskret. Ich frage nicht, wer Ihr Kunde ist. Ich will es nicht wissen. Ich will nur wissen, wie er denkt, wie er tickt und was wir tun können, um eine Lösung für ihn zu finden.“ Skrupel schien der Abgeordnete nicht zu haben, er hatte andere Sorgen: „Es ist richtig zu sagen, dass ich selbst so etwas wie ein Lobbyist bin. Wir müssen also sehr vorsichtig sein.“

Rücktritt von allen politischen Ämtern

Das klappte nicht, der Volksvertreter flog auf. Strasser versuchte sich zu verteidigen: "Ich hatte nie Lobbykunden, weder in Brüssel noch in Wien." Er habe nur mitgespielt, um die angeblichen Lobbyisten der österreichischen Staatspolizei zu melden. Aber dazu kam es nicht. Strasser erklärte das mit Terminschwierigkeiten. Am Sonntag trat der Österreicher von allen politischen Ämtern zurück.
Der mächtige Fraktionschef der Konservativen im EU-Parlament, Joseph Daul, schickte ihm einen giftigen Gruß hinterher: „Die Bürger müssen Vertrauen in ihre Abgeordneten haben. Unmoralisches und unethisches Verhalten kann nicht geduldet werden.“
Die „Sunday Times“ hatte für ihre verdeckte Aktion einige Hundert Abgeordnete angeschrieben, mehr als 60 meldeten sich zurück – darunter auch deutsche Parlamentarier. Aber nur sechs EU-Abgeordnete konnten wegen vermeintlicher Vergehen überführt werden. Bisher sind drei Namen bekannt, am kommenden Sonntag sollen drei weitere veröffentlicht werden.

Missbrauch und Korruption einschränken

Neben Strasser sollen auch der rumänische EU-Abgeordnete und frühere Vize-Ministerpräsident Adrian Severin und der slowenische Parlamentarier und frühere Außenminister Zoran Thaler den angeblichen Lobbyisten ihre Dienste verkauft haben. Severin schickte laut Angaben der „Sunday Times“ eine Rechnung über 12.000 Euro für „Beratungsdienste“. Zu seiner Verteidigung sagte er, EU-Beamte hätten ihm signalisiert, dass er ruhig für die falschen Lobbyisten arbeiten könne.
Thaler wiederum bat darum, sein Honorar auf ein Londoner Konto zu überweisen. Er kündigte in Ljubljana ebenfalls seinen Rücktritt an. Damit wolle er den europäischen und slowenischen Behörden eine „ungestörte“ Untersuchung ermöglichen.
Der Vorfall dürfte die Beratungen über eine schärfere Kontrolle der rund 20.000 Lobbyisten in Brüssel beleben. „Nur die Pflicht-Registrierung für Lobbyisten kann Missbrauch und Korruption einschränken“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms. Bis Juni wollen Parlament und EU-Kommission einen Verhaltenskodex für Lobbyisten erarbeiten.

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